Deutsch English

Das Interview (wenn man mal ganz viel lesen will)

von Christian Philipp Trosdorff aka Don Trosi

Raimund Meyer ist kein gewöhnlicher Künstler, ich weiß, ich weiß, das wird am Anfang eines Artikels über einen Newcomer immer geschrieben, aber hier hat diese Aussage ihre verbindliche Gültigkeit. Er macht es anders. Und das macht er gut so.
Der Fairness halber muss ich zugeben, dass ich schon immer ein Fan von ihm war und ihm schon auf künstlerischer Basis zusammengearbeitet habe. Aber was soll´s? Die Redakteure in namhaften Musikmagazinen haben ja auch von vorneherein nicht vor, den Künstlern allzu sehr nahezutreten oder negativ kritisch zu sein. Also werde ich den 1,90 m großen Hünen, mit dem ich demnächst noch das Kölner Konzert der Dresden Dolls besuchen werde, nicht schonen. Das gehört sich so.

T: Zunächst die Frage der Fragen, Ray, warum machst Du das, was Du machst?

R: Ich kann nicht anders.

T: Das heißt, es ist Dir eine Herzensangelegenheit?

R: Genau!

T: Ich finde das was Du machst, kommt so rüber, wie mit viel Herzblut erschaffen, aber ich habe schon Kritik gehört, so von wegen: Der singt schief oder : Der kann ja gar nicht singen...

R: Dann haben sich die Leute die CD nicht angehört. Zugegeben die alten Aufnahmen hatten ihre Schwächen, aber mit den neuen Aufnahmen bin ich sehr zufrieden.

T: Ein DJ aus Düsseldorf hat Dich mal den Jimi Tenor von NRW genannt, bei den frühen Sachen habe ich auch schon an einen Mix aus Jean Michel Jarre und Aphex Twin gedacht. Sagen dir solche Vergleiche was, oder ist das alles Schmus für Dich?

R: Eher Schmus. Der Vergleich mit Jimi Tenor ehrt natürlich, aber ich eifere keinem besonderen Sound nach, deswegen ist mein Stil auch schwer auf einen Nenner zu bringen. Ich mag das. Leider wollen die meisten Menschen wissen, welchen "Stil" die Musik hat. Ich hab leider gar keine Ahnung, was ich dazu sagen soll. Das Schlimmste was ich einmal erlebt hab, war ein Musiker, dem ich meine Musik vorgespielt hab, und er fragt: Was ist das denn für'n Stil? Er fand das offensichtlich schlecht, das man die Musik nicht eindeutig einem "Stil" zuordnen konnte, jedenfalls machte er so ein Gesicht. Na ja Pech sag ich jetzt, aber damals fand ich das traurig...

T: Na ja, das mit Jarre kommt nicht von ungefähr, Du hast opulente Arrangements, Keyboards und manches kommt rüber wie ein Soundtrack.

R: Stimmt, da hast Du recht.

T: War Deine Begeisterung für Artrock und elektronische Pioniere immer vorherrschend? Ich meine, Du hast, wie ich denke, ein Faible für Kraut, Glam und alles mögliche, was Punks für uncool halten würden...

R. Das liegt daran, dass Punks meistens einen sehr eng gefassten Musikgeschmack haben. Grundsätzlich find ich die Punkidee, nämlich (Hör-) Gewohnheiten zu durchbrechen, sehr gut. Das unterscheidet auch im Popbereich gute Musik von Mainstream.

T: Du machst also Popmusik?

R: Definitiv ist das mein Anspruch. Leider hat Pop ja einen schlechten Beigeschmack, aber ich glaube das hat nichts mit der Art der Musik zu tun, sondern, es liegt daran, dass es einfach zu viel schlechte Musik gibt, egal in welcher Richtung.

(Ein schwarz gekleideter Kerl im Hintergrund ruft: "Der Typ hat recht !")

T: Du findest also nicht, deine Musik sei sperrig, unzugänglich, oder wenigstens: Schwer an potenzielle Hörer heranzutranspotieren?

R: Nun, ich habe diese Wahrnehmung nicht. Das kann natürlich stimmen, aber ich empfinde das nicht so.

T: Du meinst quasi, deine Musik kommt an…

R: Wie schon angedeutet, muss ich sagen: ich mache die Musik einfach so, ohne zu bedenken, ob sie "ankommt". Ich hoffe natürlich, dass es mehrere Menschen gibt, die meinen Geschmack teilen, denn die Musik entspricht meinem Geschmack!

T: So, so! Und wie würdest Du Deinen Geschmack beschreiben?

(Langes Zögern)

R: Eine Phrase: Von ABBA bis Zappa. Stimmt tatsächlich und sagt meines Erachtens aus, was ich meine, nämlich das ganze Spektrum. Hauptsache ich kann meiner, wie ich finde, nicht unobjektiven, Meinung nach eine gewisse Qualität darin hören, darin finden.

T: Es gibt Leute, die sagen, dass Britney Spears gut produziert ist und sie finden´s gar nicht so übel, andere halten es für Kommerzmist. Wo ziehst Du die Grenze für "Qualität", ist das überhaupt so, das man sagen kann, das Mainstream an sich Scheiße ist?

R: Nehmen wir mal "Baby One More Time" von Britney Spears, dass das so gut produziert ist, im Mainstreamsinne, würde ich gar nicht mal sagen, es hörte sich damals jedenfalls nicht an, wie alles andere. Abgesehen davon fand ich, das Songwriting hatte Potenzial. Ich weiss zwar nicht warum Leute wie Travis oder Ahmet Zappa (Anm. 8.5.2005: und die DRESDEN DOLLS !!!) das gecovert haben, vielleicht wollten sie sich nur lustig machen, vielleicht empfinden sie aber auch so wie ich. Pauschal würde ich dem Mainstream nicht die Qualität absprechen. Der Mainstream ist halt so breit, dass Scheiße und Gutes da mit drinstecken.

Interessanterweise hat Ray "Baby One More Time" seinerzeit gecovert, ohne zu wissen, dass andere namhafte Musiker sich des Stückes auch angenommen haben.

T: Was sind die größten Inspirationsquellen deiner Jugend gewesen, warst Du ein Nerd der zu Hause Queen gehört hat oder warst Du auch mal Rocker, Raver oder hast du im Kirchenchor gesungen. Hol aus!

R: Die erste Platte, die ich geliebt habe, wie mir vor kurzem erst wieder eingefallen ist, war der Pink Panther Soundtrack von Mancini, den ich mir auf eine Kinderkassette überspielt habe. Da waren Aufnahmen drauf, wie ich auf Töpfen rumhaue und dazwischen plötzlich der Rosarote Panther! Mein Lieblinglied: It had better be tonight. Dann als Nächstes Jesus Christ Superstar. Ich verrate hier meine dunkelsten Geheimnisse. Ich glaube das hat mich geprägt, mehr als Jethro Tull, die hab ich nämlich als Teenager gehört. Oh, wichtig von früher bis heute: Yello! Und die Beatles.

T: Während die anderen Kids also Metallica oder New Kids on the Block oder Vanilla Ice cool fanden, hast du merkwürdiges Zeug gehört.

R: Ja, aber mit 8 konnte ich schon "Gwendoline" von den Ärzten auswendig singen. Ach, es gibt so viel was prägt, z.B. dass meine Mutter immer Bach gehört hat, oder die frühe Kraftwerk-Affinität meines kleinen Bruders. Der hörte das nämlich schon mit 9! Still respect!

T: Ich kenn das ja auch, ich fand mit 14 Queen super, hab mir die unterschiedlichsten Schallplatten gekauft, aber ich denk mal, es war eher 70s Rock, bevor ich anfing mich für Punkrock, Hardcore und Underground zu interessieren. Hat es für Dich eigentlich einen Reiz, wenn eine bestimmte Musik als Underground gilt, oder gar als Subversiv, oder interessiert dich das gar nicht, so nach dem Motto: Wenn´s gute Musik ist...

R: Interessiert mich gar nicht. Im Gegenteil, meine ausgeprägte Vorliebe für Britney Spears habe ich hauptsächlich entwickelt, um bei solchen Leuten, die undergroundmässig abgehen, das garantierte Nasenrümpfen hervorzurufen.

T: Aha, also so eine Art Kampfansage an die ganzen Leute die posen und so tun als wären sie ach so subversiv, oder hätten dermassen mehr Ahnung von Musik als andere? Wie passt das eigentlich zu einem Typen, wie Dir, der zuhause so Sachen hört wie Fantomas, Momus oder solchartige Frickeleien.

R: Ganz einfach: ich hör´s nicht weil es Underground ist.

T: Ist es für Dich eigentlich wichtig ein hochwertiger Liveact zu sein, oder ist die CD, das Albumformat, das singuläre Kunstwerk von Dir als wichtiger eingestuft?

R: Da ich keine Liveband habe...

T: Das hat Dich aber von zahlreichen Gigs nicht abgehalten, Freundchen.

R: ...ja, aber das ist schon nur ein Abklatsch der CD, weil das Backing vom Rechner kommt. Ich hätte gern ne Band, aber darum hab ich mich noch nicht gekümmert.

T: Deshalb hast Du live nur gesungen. Wie soll das denn jetzt weitergehen. Deine Musik schreit ja danach, noch mehr Menschen heimzusuchen. Mit wem würdest Du gerne ein Konzert machen, oder würdest Du gerne auf einem Festival spielen, so was wie popkomm oder Electronic Beats? Kann ja auch ein viel kleineres Festival sein, nicht unbedingt für Elektronisches.

R: Das wäre schon schön.

T: Lieber popkomm oder was kleines?

R: Wohl eher was kleines.

T: Bestimmte Motive scheinen in Deiner Musik immer wieder aufzutauchen, Liebe, Erfüllung, Schmerz, Pathos... Machst Du thematische Musik oder bist du beim Songwriting für alles offen?

R: Eine sehr gute Frage, nein, ich glaube ich bin nicht für alles offen, immer wenn ich an einem Text geschrieben hab, der sich nicht um diese Themen gedreht hat, dann hat er mir nicht so richtig gefallen. Irgendwann werden mir die Herzschmerzthemen vielleicht ausgehen. Obwohl, Burt Bacharach hat auch nie was anderes gemacht.

T: Legst Du eigentlich mehr wert auf den elektronischen Aspekt deiner Musik, oder würdest Du Dich auch mit einer Klampfe vor die Leute setzen, falls Du die spielen kannst. Wie wär`s mit einem Klavierabend?

R: Auf der CD ist so gut wie kein Lied mehr elektronisch. Klavier oder Klampfe ist super, kann ich aber nicht spielen. Elektronische Musik ist sowieso mittlerweile langweilig und outdated. Die 90er sind vorbei.

T: Aber deine Songs werden doch mit Keyboard oder Synthesizer komponiert und eingespielt, oder?

R: Ich benutze viel Klavier und Streicher vom Sampler und den Synthesizer als Instrument, wie es schon in den 60ern und 70ern Gang und Gäbe war - aber keine Beats und Loops, was moderne elektronische Musik ja ausmacht.

T: Findest Du Techno folgerichtig total beschissen?

R: Ja. Detroit Techno und Chicago House find ich aber gut. Das macht schon Spaß zuzuhören, vor allem wenn es Vocal House mit so Songstrukturen ist. Aber der Grossteil des modernen Techno ist Mist.

T: So Kram wie Mouse On Mars sagt Dir nicht zu?

R: Hab ich noch nie so bewusst gehört. Ich war mal auf einem Konzert von denen, war ganz cool. Aber ich hab nix von denen.

T: Wie sieht´s mit Hip Hop aus?

R: Hip Hop finde ich im Allgemeinen gut.

T: Trotz dieses ganzen Gangsta-Scheiss?

R: Wie immer: Wenn´s mir gefällt, ist es gut.

T: Machst Du eigentlich Musik für Mädchen, oder auch: Musik, um an Mädchen ranzukommen?

R: Na logo, klappt ganz gut.

T: Ich frage nur ungern nur nach der musikalischen Sozialisation, ich find das interessant, was Deine Musik sonst noch so beeinflusst.

R: Da fällt mir spontan nix ein...

T: Was ist mit Tim und Struppi oder Frauen oder Lyrik?

R: Bei den Texten gehts natürlich schwerlich, ohne an Frauen zu denken, da ich über Frauen schreibe...

T: Gut, das mit dem Undergroundfaktor hatten wir ja schon, der bedeutet dir nichts. Würdest Du gerne mit einem kompletten Orchester aufnehmen so wie Mancini, oder Isaac Hayes, will sagen: Hättest Du gerne den Phil Spector Sound?

R: Yeah! (Unverständliche Laute und Gegreine) Orchester mit Chor! Wall of Sound! Kastagnetten!

T: Wie bei Ike und Tina Turner "River Deep Mountain High"?

R: Oder bei Gene Pitney.

T: Herr Meyer (aka Raymond Spector), ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

R: Herr Trosdorff, ich danke Ihnen für das Gespräch.

nach oben 

 
Artwork Trosi